Gliederung:
Ausgangspunkt der geriatrischen Behandlung ist immer eine altersgerechte, standardisierte Funktionsdiagnostik (sog. Geriatrisches Assessment), die von einem multiprofessionell zusammengesetzten Team durchgeführt wird und nicht nur funktionelle Problembereiche aufdecken soll, sondern auch die verbliebenen funktionellen Ressourcen des älteren Patienten. Der Umfang eines standardisierten Assessments erstreckt sich dabei auf mindestens 5 Bereiche (Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion und soziale Versorgung).
Aufgrund seiner besonderen Bedeutung für die geriatrische Diagnostik ist das Assessment als Grundlage jeder altersgerechten Behandlung auch ein zwingendes Mindestkriterium der geriatrischen Komplexbehandlung (OPS 8-550.-) und daher sind das Screening und Minimalassessment (OPS 1-770) sowie das standardisierte geriatrische Basisassessment (GBA, OPS 1-771
) nicht zusätzlich zu einer Komplexbehandlung im Sinne des OPS 8-550 zu verschlüsseln.
Seit 2009 stehen nur noch die beiden OPS-Kodes für das Minimal- und das Basis-Assessment (s. Tab. 4.P.0) im amtlichen Katalog zur Verfügung, das Sturzrisikoassessment kann nicht mehr mit dem OPS dokumentiert werden.
Basierend auf dem Best-Practice-Ansatz des vom BMG geförderten Modellprojektes "Benchmarking in der geriatrischen Patientenversorgung" (Gemidas-QM) kann die Sturzneigung beim älteren Menschen durchaus prozedural definiert werden (vgl. "Beste Praxis Sturz" , Gemidas-QM-Panel, 2006).
Wenn unter Anwendung des Sturzassessments einschließlich des Sturzrisiko-Assessments — beispielsweise mittels der Stratify-Skala (Gemidas-QM, 2004 ) — interdisziplinär die Sturzneigung bei einem älteren Patienten festgestellt worden ist, dann sollte der ICD-Kode R29.6
unbedingt kodiert werden, da der zugehörige Leistungsaufwand nicht mehr mit einem Prozedurkode zusätzlich dokumentiert werden kann. Wenn die ICD R29.6 kodiert wird, dann sind folgende Exklusiva zu beachten: ICD R26.2
, ICD R42
, ICD R55
, oder "Sturzneigung bei anderenorts klassifizierten Krankheiten".
Eine Geriatrie-DRG definiert sich nicht über die beiden zentralen Merkmale eines geriatrischen Patienten (Multimorbidität und Alter), sondern über die frührehabilitative und die teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung, die mit der OPS 8-550.- und der OPS 8-98a.-
im Prozedurenkatalog abgebildet werden. Bei der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung ist hinsichtlich der resultierenden DRG zusätzlich die Hauptdiagnose mitentscheidend, da eine Geriatrie-DRG nur resultiert, wenn diese zu einer bestimmten, geriatrietypischen Hauptdiagnosengruppe (MDC) gehört (Details siehe Kapitel Geriatrie-DRG's).
Planung und Durchführung der geriatrischen Komplexbehandlung erfordern neben den eingangs erwähnten standardisierten Assessments zwingend einen schriftlichen, wöchentlich aktualisierten Behandlungsplan mit regelmäßigen Teambesprechungen, an denen alle Teammitglieder einschließlich der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen teilnehmen (tägliche Kurzbesprechungen sowie mindestens einmal wöchentlich eine ausführliche Teambesprechung, optimalerweise ergänzt um eine Teamvisite).
In das Gesamtkonzept der Behandlung ist dabei die therapeutische Pflege durch Fachpflegepersonal zentral eingebunden, zugleich ist der Einsatz von mindestens zwei Therapeutengruppen (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Neuropsychologie, physikalische Therapie) die Regel. Die Behandlungsleitung und Koordination des geriatrischen Teams liegt in fachärztlicher Hand und erfordert aufgrund der vielfältigen und zumeist fachübergreifenden Anforderungen (internistische, neurologische, psychiatrische, orthopädische, rehabilitative, psychosoziale Problemkonstellationen) die Zusatzqualifikation "Klinische Geriatrie".
Im amtlichen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) ist die frührehabilitative geriatrische Komplexbehandlung je nach Behandlungsdauer und Behandlungsintensität in drei Kategorien unterteilt, von denen nur zwei (OPS 8-550.1, 8-550.2) im Grouperalgorithmus eine Geriatrie-DRG ansteuern können. Die OPS 8-550.0 verhält sich im Grouperalgorithmus bislang neutral und beeinflusst die Fallgruppenzuordnung nicht.
Kriterium | Anforderung nach OPS 8-550 |
---|---|
• Struktur | Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich "Klinische Geriatrie" erforderlich) |
• GerAss | Standardisiertes geriatrisches Assessment zu Beginn der Behandlung in mindestens 4 Bereichen (Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion) und vor der Entlassung in mindestens 2 Bereichen (Selbständigkeit, Mobilität). |
• SozAss | Soziales Assessment zum bisherigen Status in mindestens 5 Bereichen (soziales Umfeld, Wohnumfeld, häusliche/außerhäusliche Aktivitäten, Pflege-/Hilfsmittelbedarf, rechtliche Verfügungen) |
• Team | Wöchentliche Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele |
• Pflege | Aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal |
• Therapie | Einsatz von mindestens 2 der folgenden 4 Therapiebereiche: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/facio-orale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie |
Der für die teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung erst 2006 zunächst eingeführte OPS-Schlüssel 8-553 wurde bereits 2007 wieder abgelöst durch die Schlüsselnummer 8-98a.-
, die untergliedert wird in eine "Basisbehandlung" (8-98a.0) und eine "Umfassende Behandlung" (8-98a.1-). Die Details der teilstationären Leistungsziffer für 2007 geben die nachstehenden Tabellen wieder.
Planung und Durchführung der teilstationären geriatrischen Komplexbehandlung erfordern gleichfalls neben den eingangs erwähnten standardisierten Assessments einen schriftlichen, wöchentlich aktualisierten Behandlungsplan mit regelmäßigen Teambesprechungen, an denen alle Teammitglieder einschließlich der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen teilnehmen (tägliche Kurzbesprechungen sowie mindestens einmal wöchentlich eine ausführliche Teambesprechung, optimalerweise ergänzt um eine Teamvisite).
Die tagesbezogene Prozeduren-Definition der teilstationären geriatrischen Komplexbehandlung – die tatsächlich nie eine Ein-Tages-Behandlung, sondern praktisch stets eine mehrtägige Behandlungsepisode ist – hat zur Folge, dass
Teilstationären Behandlungstagen, an denen keine ärztliche Visite erfolgte, an denen Patienten weniger als 330 Minuten anwesend waren oder an denen das funktionelle oder soziale Assessment länger als 4 Wochen zurückliegt, kann keiner der Kodes 8-98a.- zugewiesen werden.
Kriterium | Anforderung nach OPS 8-98a |
---|---|
• Struktur | Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Zusatzausbildung im Bereich "Klinische Geriatrie" erforderlich). |
• GerAss | Aktuelle Durchführung zu Beginn der Behandlung bzw. Vorhandensein (maximal 4 Wochen) eines standardisierten geriatrischen Assessments in mindestens 4 Bereichen (Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion) |
• SozAss | Aktuelle Durchführung zu Beginn der Behandlung bzw. Vorhandensein (maximal 4 Wochen) eines sozialen Assessments in mindestens 5 Bereichen (soziales Umfeld, Wohnumfeld, häusliche/außerhäusliche Aktivitäten, Pflege-/Hilfsmittelbedarf, rechtliche Verfügungen) |
• Arzt | Ärztliche Visite |
• Team | Vorhandensein folgender Bereiche: Physiotherapie, Physikalische Therapie, Ergotherapie, Psychologie/Neuropsychologie, Logopädie/fazioorale Therapie, Sozialdienst |
• Pflege | Aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal |
• Dauer | Gesamtaufenthaltsdauer pro Tag in der teilstationären Einrichtung (inkl. Lagerungs- und Erholungszeiten) von mindestens 330 Minuten (ohne Transportzeiten) |
Kommentar zum OPS 8-98a.- (OPS Version 2009)
[27.12.2008] — Für den OPS 8-98a.11 verlangt der MDS/MDK "mehr als 90 Minuten Therapiezeit", mithin also mindestens 4 Therapieeinheiten á 30 Minuten. Werden mindestens 15 Minuten Ruhe- und Transferzeiten zwischen zwei Therapieeinheiten angesetzt (es handelt sich immerhin um geriatrische Patienten), so ergibt sich bereits ein Minimum an durch klassische Therapie gebundener Anwesenheitszeit von mindestens 180 Minuten. Zuzüglich Pflege (durchschnittlich 75 PPR-Minuten pro Tag), Mittagessen (mind. 60 Minuten) und ärztliche Visite (etwa 15 Minuten), ist der zugehörige Behandlungstag bereits fast vollständig ausgefüllt (330 Minuten). Es ist unmittelbar ersichtlich, dass in ein so (eingeschränkt) definiertes Leistungsgefüge nicht noch zusätzlich umfangreichere (d.h. kostenrelevante) Leistungen der Pflege, des Arztdienstes, des Sozialdienstes und der medizinischen Diagnostik (Labor, Röntgen, Konsile) hineinpassen. Daraus jedoch ergibt sich direkt die Frage, warum die Mindestkriterien des OPS 8-98a.- diese zusätzlichen Leistungen bzw. zumindest spezifische Strukturmerkmale zur Vorhaltung derartiger Leistungsmöglichkeiten einfordern, nicht jedoch definierte Mengen.
Die Dokumentation der Prozedur 8-98a muss tagesgenau im laufenden, operativen Geschehen erfolgen, an diese Prozedur(en) ist de facto die Vergütung der teilstationären geriatrischen Behandlung bereits gekoppelt. Dabei sind additiv die folgenden Mindestkriterien (täglich und für jeden behandelten Fall) zu berücksichtigen:
Ist das Kriterium 1 nicht erfüllt, dann kann gar kein OPS-Kode zugeordnet werden. Wenn das 2. Kriterium nicht erfüllt ist, dann kann kein Kode unterhalb von 8-98a.1-, sondern es muss der Kode 8-98a.0 zugeordnet werden. Ist das 3. Kriterium nicht erfüllt, so gibt es mehrere Möglichkeiten: Wird die Gesamt-Therapiezeit von 60 Minuten oder die Einzeltherapiezeit von 30 Minuten unterschritten, so muss ebenfalls 8-98a.0 zugewiesen werden. Liegt die Gesamt-Therapiezeit über 90 Minuten und die Einzeltherapiezeit bei mind. 45 Minuten, dann muss der OPS-Kode 8-98a.11 zugewiesen werden. Sollte aber die Gesamt-Therapiezeit über 90 Minuten liegen, jedoch ohne dass davon 45 Minuten auf Einzeltherapien entfallen, kann streng genommen keiner der beiden Kodes 8-98a.10 oder 8-98a.11 zugewiesen werden (Definitionsfehler der Mindestkriterien). Es muss dann ebenfalls auf den OPS 8-98a.0 zurück gegriffen werden.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass das InEK erneut keine bundeseinheitlichen Relativgewichte für die teilstationäre Komplexbehandlung ermitteln konnte. Im Abschlussbericht zum G-DRG-System 2009 wird die Problemlage wie folgt beschrieben: "Eine Tiefenanalyse der Datensätze der teilstationären geriatrischen Komplexbehandlung
lässt die Vermutung aufkommen, dass kostenverursachende Leistungen in den
Kliniken erbracht werden, die keinen Einfluss auf den teilstationären OPS-Kode haben.
Entsprechend ist unsicher, ob die bereitstehenden OPS-Kodes homogene Patientengruppen
im Sinne eines Fallpauschalensystems für teilstationäre geriatrische Leistungen
bilden." (InEK, 2008 ).
Die beiden Kodes OPS 8-98a.10 und 8-98a.11 führen in die DRG A90A, der OPS-Kode 8-98a.0 in die DRG A90B. Beide DRGs werden nicht mit dem Fallpauschalenkatalog vergütet und müssen (weiterhin) hausindividuell vereinbart werden.
Neuropsychologische und logopädische Therapieleistungen sollten in jedem Fall (auch wenn die OPS 8-550 bereits kodiert ist) dokumentiert werden, da dieser spezifische Therapieaufwand aus der OPS 8-550 allein nicht abzulesen ist. Insbesondere an der Fallkostenkalkulation teilnehmende Krankenhäuser sollten mindestens diese Form der differenzierten Detaildokumentation umsetzen, zumal in der Neuropsychologie grundsätzlich, bisweilen aber auch in der Logopäde (Klinische Linguistik) akademisch ausgebildetes Personal eingesetzt wird, das im Vergleich zu den meisten übrigen Therapeuten-Berufsgruppen in der Regel höhere Kosten verursacht. Daher empfiehlt sich für eine differenziertere Kostenzuordnung die ergänzende hausinterne Verwendung eines detaillierten Aufwandsschlüssels (wie z.B. der OPS-G).
In den Fällen, bei denen die Kriterien für die OPS 8-550 wegen einer Monotherapie nicht zutreffen (z.B. nur Physio- oder nur Ergotherapie), aber ein therapeutischer Aufwand im Bereich Physiotherapie / physikalische Therapie oder Ergotherapie betrieben wurde, lässt sich dieser in folgender OPS darstellen.
Leider spiegelt sich der im geriatrischen Alltag meist sehr aufwändige psychosoziale Bereich im entgeltrelevanten DRG-Bereich nicht entsprechend wieder. Eine moderne leistungsfähige Geriatrie ist speziell ohne die Arbeit des Sozialdienstes nicht vorstellbar. Es ist nach wie vor zu fordern, dass sich der Aufwand im psychosozialen Bereich in den Kriterien der OPS 8-550 wiederfindet. Es besteht allerdings weiterhin die Möglichkeit, bestimmte Anteile des Sozialdienstaufwands mit den OPS-Kodes 9-401.5 (Integrierte psychosoziale Komplexbehandlung), 9-401.0- (Sozialrechtliche Beratung) und 9-401.2- (Nachsorgeorganisation) zu dokumentieren. Hiervon sollten die Geriatrien reichlich Gebrauch machen, um entsprechend verlässliche Daten über diesen Bereich zu sammeln.
Zu beachten ist, dass im OPS 2009 eine weitergehende Differenzierung des Aufwandes im Bereich der Nachsorgeorganisation (OPS 9-401.2-) vorgenommen wurde, sodass ein besonders großer Aufwand in diesem Interventionsbereich jetzt besser abgegrenzt und hervorgehoben werden kann. Darüber hinaus empfiehlt es sich im Hinblick auf eine differenzierte Aufwands- und Kostenermittlung, ergänzend hausintern einen detaillierten Leistungsschlüssel für den Sozialdienst einzusetzen (wie z.B. den Sozialdienstlichen Prozedurenschlüssel für die Geriatrie, SozOPS-G).
Eine differenzierte Kodierung bestimmter Pflegeprozeduren leistet für die Kostenanalyse einen wesentlichen Beitrag. Bei der Leistungserfassung von enteraler oder parenteraler Ernährung ist im „Normalfall“ von einer Nebenbehandlung auszugehen. Nur wenn der stationäre Aufenthalt hauptsächlich der enteralen oder parenteralen Ernährung dient, ist der Kode für eine Hauptbehandlung zu wählen. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über einige besonders relevante, kostenintensive Bereiche:
In der Krankenhausgeriatrie findet man zunehmend Prozeduren insbesondere aus dem Bereich der Operationen (OPS 5-01...5-99). Hierbei spielt das chirurgische Wunddebridement eine besondere Rolle, da die Kodierung einer chirurgischen Wundtoilette Einfluss auf die abzurechnende DRG nimmt. Entsprechend ist hier auch besonders auf eine ausführliche und sorgfältige Wund- und Wundbehandlungsdokumentation zu achten.
„Kleinere“ Operationen oder Eingriffe — wie das Legen eines suprapubischen Katheters oder eines ZVK — gehören ebenfalls zum Repertoire der Geriatrie. Gleichfalls nehmen die Indikation und die Kapazitäten für PEG-/PEJ-Legungen deutlich zu, sodass auch die Dokumentationsanforderungen dieser Leistungsberecihe in der Geriatrie steigen. Die nachstehende Tabelle fasst die häufigsten Prozeduren des ärztlichen Leistungsbereichs in der Geriatrie zusammen.
Impressum
Kodierung 2009
Kodierleitfäden
DRG-System
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